Grabenstetter Geschichte: Gemeinde Grabenstetten

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Grabenstetten
Grabenstetten
Grabenstetten
Panorama
Gemeinde Grabenstetten
Herzlich willkommen in der Gemeinde Grabenstetten, dem Albdorf am Heidengraben!

Hauptbereich

Vor- und Frühgeschichte

Die ersten Nachweise für eine Besiedlung des Hochplateaus durch Ackerbaukulturen der Jungsteinzeit, die ca. 5.500 v.Chr. begann und über 3000 Jahre dauerte, fanden sich auf den Feldern um Grabenstetten in Form von Feuersteingeräten, darunter Klingen und eine Feuersteinsichel. Aus den nachfolgenden Perioden, der Frühen und Mittleren Bronzezeit, gibt es bisher keine Siedlungsspuren. Die Spätbronzezeit bzw. Urnenfelderkultur (13. - 8. Jh.v.Chr.) ist belegt durch Keramikfunde aus Brandgräbern am Burrenhof sowie aus einer Baugrube im Ort. Aus der frühen Eisenzeit, der Hallstattzeit (8. - 6. Jh.v.Chr.) stammen rund 30 Grabhügel am Burrenhof mit Brand- und Körperbestattungen sowie reichhaltigen Grabbeigaben. In der Späthallstatt-/Frühlatènezeit (6. - 4. Jh.v.Chr.) lag im Westen der Elsachstadt nahe einer Wasserstelle eine frühkeltische Siedlung, die aufgrund ihrer Größe und der dort bei archäologischen Ausgrabungen gemachten Funde eine gewisse Bedeutung gehabt haben dürfte. Die Mittellatènezeit ist bisher um Grabenstetten nicht nachgewiesen.

In der Spätlatènezeit (2. - 1.Jh.v.Chr.) entstand das keltische Oppidum Heidengraben, das mit einer Fläche von 1.662 Hektar das größte in Deutschland und eines der größten in Europa ist. In Süden des Heidengrabens lag die Kernsiedlung des Oppidums, die sogenannte Elsachstadt mit einer Fläche von 153 Hektar. Die dort bei archäologischen Ausgrabungen entdeckten Funde weisen auf weitreichende Handelsbeziehungen bis ins Mittelmeergebiet hin. Die Anwesenheit der Römer rund 200 Jahre später konnte durch viele typische Schuhnägel aus Eisen belegt werden, die auf den Märschen durch den Heidengraben verloren gegangen waren, weiterhin durch Keramikfunde aus einer Baugrube im Ort sowie am Burrenhof und in der Flur Seelenau. Aus der Zeit der Alamannen wurden im Ort eine Bestattung mit Grabbeigaben aus der späten Merowingerzeit (7.Jh.n.Chr.) sowie Keramikfunde aus Baugruben entdeckt.

Mittelalter und Neuzeit

Erste Namensnennung

In ersten schriftlichen Erwähnungen wird Grabenstetten im 11. Jh. als „ Grabanostetten" und 1152 als „Grabanostettin" bezeichnet. Die Kirche wird erstmals im Jahr 1275 urkundlich erwähnt in einem heute noch erhaltenen Zehntbuch des Bischofs von Konstanz, in dem die Einkünfte der Pfarreien aufgeführt werden sollten, um von deren Zehnten einen geplanten Kreuzzug durchzuführen, der jedoch nie zustande kam.

Verbindungen zwischen Grabenstetten und der Universität Tübingen

Am 1.10.1477 gründete Graf Eberhard im Bart die Eberhard Karls-Universität Tübingen. Ihre Einkünfte bezog die Universität u.a. aus den Abgaben von Gütern wie Äckern, Wiesen, Wäldern, Weinbergen und Höfen, die ihr von der Mutter des Grafen, Mechthild von der Pfalz, zur Verfügung gestellt wurden. Einige dieser Güter lagen auch in Grabenstetten; sie tragen seither in den Lagerbüchern den Vermerk "Zinst der Universität Tübingen". In schlechten Jahren unterstützte die Universität die Bauern aus ihren Vorräten. (Fast 525 Jahre später engagierte sich die Universität Tübingen bei der Einrichtung des Frühgeschichtlichen Museums in Grabenstetten). Erst 1744 wurden die Abgaben an die Universität eingestellt.

Die Reformationszeit

1534 wurde Grabenstetten protestantisch. 1537 riet der Herzog auf dem sogenannten „Uracher Götzentag" zur Mäßigung, vom Volk verehrte Gegenstände nicht zu schnell aus den Kirchen zu verbannen. Deshalb vollzogen sich die Veränderungen auch in Grabenstetten erst nach und nach. Großflächige Wandmalereien, die vier Heiligenbilder, die 12 Apostel und das Jüngste Gericht darstellen, wurden in der Reformationszeit übertüncht und erst während des 1. Weltkrieges wieder entdeckt.

Die Zeit des Dreißigjährigen Krieges

Unter dem Dreißigjährigen Krieg (1618 - 1648) und der gleichzeitig wütenden Pest hatte Grabenstetten vor allem in der zweiten Hälfte der Kriegszeit zu leiden. 1635 zündeten Soldaten bei ihrem Abzug ihre Quartiere an, so dass fast das ganze Dorf abbrannte, außer der Kirche, dem Pfarrhaus, der Schule und ein paar kleineren Häusern. Im folgenden Jahr starben durch Hunger und Krankheit 325 Personen, „Alte 133, Junge 192", wie es in einem Eintrag 1636 im Totenbuch der Gemeinde heißt. In einem Bericht des Vogts von Neuffen an den Herzog ist zu lesen, „ ...von der ganzen Einwohnerschaft, so in 120 Burgern bestanden hat, sind gegenwärtig nicht mehr als noch 6 Burger vorhanden, ...". Am 1. Februar 1641 stürzte der Kirchturm der Dorfkirche ein. Die größere der beiden Glocken, die das Unglück unbeschadet überstanden hatten, wurde nach Neuffen verkauft, um mit dem Erlös den Turm zumindest bis zur halben Höhe wieder aufzubauen. 8 Jahre lang läutete in Grabenstetten keine Kirchenglocke mehr. Erst nach Kriegsende wurde die verbliebene kleinere Glocke wieder in Gebrauch genommen. Der vollständige Wiederaufbau des Kirchturms erfolgte erst 1680/81; gleichzeitig wurde auch eine zweite, große Glocke angeschafft. Der Wiederaufbau des Dorfes nach dem Brand von 1635 ging nur sehr langsam voran. Im August 1664, als es erst wieder 13 Familien mit 14 Wohnhäusern und 6 Scheunen im Ort gab, brach erneut ein größerer Brand aus, dem 5 Häuser zum Opfer fielen. Die betroffenen Bürger wurden daraufhin vom Vogt für ein halbes Jahr von Steuern und Abgaben befreit.

Nach dem Ende des 30jährigen Krieges musste auf herzoglichen Befehl südlich von Grabenstetten eine Schanze zur Landesverteidigung angelegt werden. Dazu wurde 1676/77 am dort verlaufenden Heidengraben der vorhandene Wall erhöht und der Graben vertieft. Diese Schanze wurde allerdings nie im Ernstfall gebraucht.

Veränderungen in der Landwirtschaft und im Handwerk

Im Laufe des 18. Jahrhunderts setzten weitreichende Veränderungen ein. Im Dreißigjährigen Krieg nahezu entvölkert, hatte Grabenstetten 1721 wieder 315 Einwohner, 1760 waren es bereits 520 Einwohner, darunter 117 Kinder. Durch die wachsende Bevölkerung und die Erbteilung reichten die vorhandenen Ackerflächen nicht mehr aus. Der größte Teil der Gemarkungsflächen wie Brachen, Wiesen und lichte Wälder stand für den Weidegang zur Verfügung. Damit konnte aber nur wenig Vieh ernährt werden, weshalb die Milchviehhaltung verhältnismäßig gering war und nur dem Eigenbedarf diente. Zusätzlich begann man, auf den Brachen Kraut, Rüben, Erbsen, Linsen, Flachs und ab 1770 auch Kartoffeln anzubauen. 

Johann Gottlieb Steeb (von 1787 bis 1799 Pfarrer in Grabenstetten) stellte fest, dass das Milchvieh schlecht gehalten wurde, da es durch den Mangel an guten Wiesen zu wenig Weideflächen für den Sommer und zu wenig Heu für die Stallfütterung im Winter gab. 1792 schrieb er darüber ein Buch: „Von der Verbesserung der Kultur auf der Alb". Er setzte sich mit konkreten Vorschlägen für die Verbesserung der Weideflächen und den zusätzlichen Anbau von Futterpflanzen ein und konnte nach einigen Jahren die Bauern vom Erfolg seiner Neuerungen überzeugen.

Sein Nachfolger August Johann Friedrich Weinland (von 1811 bis 1852 Pfarrer in Grabenstetten, dessen Sohn David Friedrich am 30.8.1829 dort geboren und später durch seinen Roman „Rulaman" bekannt wurde) schaffte nach und nach den Weidegang ab. Dies war nur möglich, wenn die Bauern genügend Futter für die ganzjährige Stallfütterung hatten. Deshalb verzichtete Pfarrer Weinland sogar für immer auf seinen Zehnten am Futter, der einen beträchtlichen Teil seiner Besoldung ausmachte. Das gesamte Weideland wurde für den Anbau frei und konnte als Ackerland an die wachsende Bevölkerung verteilt werden. Bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts war die Leinenweberei in der Gegend ein weitverbreiteter Handwerkszweig, vor allem im Ort Laichingen. 

In Grabenstetten war das Spinnen und Tuchweben ein überlebenswichtiger Nebenverdienst der Kleinbauern, die den selbst angebauten Hanf und Flachs dabei verarbeiteten. Um 1800 verschärfte sich die Not, als durch die napoleonischen Kriege der Zugang zu den Absatzmärkten unterbrochen wurde. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts begann die Baumwolle als Rohstoff Flachs und Hanf zu verdrängen, die deshalb immer weniger angebaut wurden. Außerdem hatte Getreide einen höheren Handelswert, und auf vielen Äckern wurden durch die nun eingeführte Stallfütterung vermehrt Futterpflanzen angebaut. Als in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts der mechanische Webstuhl aufkam, bedeutete dies nach und nach das Ende der Handweberei. 

1832 wurde in Urach eine Maschinenweberei gegründet, 1838 eine mechanische Flachsspinnerei. Die Zukunft lag nun in der aufkommenden Industrie. Da die Fabriken zu weit von Grabenstetten entfernt lagen, begann die industrielle Arbeit zunächst in Form von Heimarbeit. 1829 führte Pfarrer Weinland eine Industrieschule für junge Frauen und Mädchen ein, wo sie unentgeltlich im Stricken und Nähen unterrichtet wurden, um bessere Chancen auf eine Heimarbeit und damit auf eine wichtige Verdienstmöglichkeit zu haben.

Goldrausch in der Falkensteiner Höhle

Grabenstetten liegt auf einem ehemaligen Vulkanschlot. Im 18. Jahrhundert glaubte man, die glitzernden Glimmerplättchen aus der Schlotfüllung seien ein Hinweis auf Goldvorkommen im Gestein. Daraufhin wurde die Falkensteiner Höhle das Ziel von Goldsuchern. 1720 machte sich ein katholischer Pfarrer mit einer Wünschelrute auf die vergebliche Suche nach Gold. Mit herzoglichen Schürfscheinen versuchten über 50 Jahre später verschiedene Personen ihr Glück und legten in der Höhle mehrere Stollen an. Im Dezember 1776 verunglückte ein Grabenstetter, nachdem er allein in die Höhle gegangen war. Erst am 11. Januar 1777 wurde seine Leiche gefunden und am 18. Januar in der Höhle begraben. 1784 warnte das Oberamt Urach vor den Gefahren der Falkensteiner Höhle „ ...als einem lebensgefährlichen Ort..." und machte deutlich, dass dort keinerlei Erze oder Metalle gefunden werden könnten, weshalb vom Oberamt Neuffen, zu dem die Höhle in der Zeit gehörte, der Befehl gekommen sei, den Zugang zur Höhle zu verschließen.

Wassergeschichten

Während in anderen Gegenden der Schwäbischen Alb das Regenwasser sofort im karstigen Untergrund versickert, bildet der ehemalige Vulkanschlot, auf dem Grabenstetten liegt, eine wasserundurchlässige Schicht, auf der sich das Wasser staut. Deshalb konnte die Trinkwasserversorgung im Ort durch die Anlage von Brunnenschächten gesichert werden, in die das Wasser seitlich aus den wasserführenden Schichten hereinsickerte. Die Qualität des Trinkwassers war gut, wenn darauf geachtet wurde, dass die Brunnen nicht von oben verunreinigt wurden. Eine andere Form der Wasserfassung war die sogenannte Hüle, eine Art Dorfteich, in dem ebenfalls durch den stauenden Untergrund das Straßen- und Regenwasser gesammelt werden konnte. Sie diente vor allem als Viehtränke und Löschwasserteich, weil das Wasser dort leichter verschmutzte. Von den Dächern der Häuser wurde außerdem Regenwasser aufgefangen und in Zisternen gesammelt.

Das Ortsabwasser floss nach alten Aufzeichnungen in einen geraden Wassergraben, später „Hauptgraben" genannt, der auf 200 Meter Länge im Heidengraben verlief und dann endete. Das Wasser staute sich im Graben und überflutete bei großem Zulauf die umliegenden Grundstücke und einen dort verlaufenden Weg. Daher wurde (vermutlich um 1621) ein zweiter Graben, der „Bewässerungsgraben" angelegt, der bereits kurz nach dem Einfluss vom Hauptgraben abzweigte und in unterhalb gelegene Hangwiesen entwässerte. Die Anlieger des Hauptgrabens mussten regelmäßig ihren Graben mit dem gestauten, abgestandenen und schmutzigen Wasser reinigen, während die Anlieger des Bewässerungsgrabens ihnen als Ausgleich den sog. „Grabenzins" bezahlen mussten. Außerdem wurde ein Bewässerungsplan aufgestellt, der die Nutzung des Wassers regeln sollte.

Dabei kam es immer wieder zu Streitigkeiten, die vor Gericht verhandelt werden mussten (u.a. 1621). Die einen zahlten nicht, die anderen reinigten nicht, worauf der Hauptgraben schließlich um 1790 verlandete. Daraufhin musste der Bewässerungsgraben das gesamte Wasser aufnehmen, das sich nun dort staute und überlief. Um das Problem dauerhaft zu lösen, wurde 1887 ein neues Bachbett gegraben, in dem das Wasser zuverlässig abfloss und das bis 1921 in Funktion blieb. 1921 wurde Grabenstetten an die Albwasserversorgung des Gemeindeverbands „Vordere Alb" angeschlossen und durch eine Pumpstation im Seeburger Tal mit Trinkwasser versorgt. 1923 erfolgte der Anschluss des Dorfes an die Elektrizitätsversorgung.

Text: Vor- und Frühgeschichte: Christel Bock, Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters der Universität Tübingen.

Text: Mittelalter und Neuzeit: Quelle: „Grabenstetten in vergangenen Tagen", Herausgeber: Genossenschaftsbank Grabenstetten, 1982. Zusammenstellung: Christel Bock